Ende August reiste eine vierköpfige Lehrergruppe der HPS (Deike Dahms, Anja Merhof, Dagmar Wiegand und Pensionär Hermann Hausmann) in die ungarische Hauptstadt Budapest, mit ca. 1,8 Millionen Einwohnern eine der 10 größten Städte der Europäischen Union und sicherlich eine der schönsten Städte Europas (Natürlich nach dem bayrischen Dinkelsbühl rangierend!), um unser Erasmus-Projekt 'Lies mit uns!', das wegen der Corona-Krise um zweimal sechs Monate verlängert worden war, zum Abschluss zu bringen.
Da wir im Vorfeld beschlossen hatten, nur Geimpfte mitzunehmen, und aufgrund der unklaren Corona- und Impfsituation in Niedersachsen schickte unsere Schule ausschließlich Lehrer zu diesem Treffen. Insgesamt bot der weitere Teilnehmerkreis ein gemischtes Bild: zwei Lehrerinnen aus Kufstein, drei Lehrerinnen und sechs (geimpfte) Schülerinnen aus Krakow sowie die gastgebenden neun ungarischen Lehrer und 22 Schüler. Unserer schwedischen Partnerschule aus Växjö war eine Reise ins Ausland gänzlich untersagt worden!
Das nach der späten Anreise folgende Arbeitstreffen unserer Gruppe, das sich an fast jedem Abend der Woche wiederholen sollte, diente dazu, die Truppe noch mehr zusammenzuschweißen. Ein Rückblick auf das am Tag Erlebte und ein pädagogisch reflektierter Ausblick auf die Aufgaben des nächsten Tages waren charakteristisch für diese Treffen. Es soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass die Weine Europas dabei einen wertvollen Beitrag leisteten.
Der Eröffnungstag begann mit dem üblichen Ablauf: Reden der ungarischen Koordinatorin, der ungarischen Schulleiterin und der polnischen Projektkoordinatorin wurden garniert durch den Popsong einer ungarischen Schülerin, das von den ungarischen Schülern gesungene Schullied des Deutsch-Ungarischen Nationalitätengymnasiums und die Darbietung einer schwäbischen Polka durch eine Schülertanzgruppe.
Die sich anschließende kleine Tanzstunde, bei der meine drei Kolleginnen wie die Derwische über das Parkett wirbelten (Es gibt hier auf privaten Wunsch und aus Datenschutzgründen leider kein Foto!), fand allseits großen Anklang. Dies galt auch für das internationale Büffet, bei dem Spezialitäten aus den Teilnehmerländern kredenzt wurden.
Im Mittelpunkt des Nachmittags stand eine mehrstündige Stadtrundfahrt zu Budapester Sehenswürdigkeiten wie dem Burgpalast mit der Matthäuskirche, der Fischerbastei und dem Heldenplatz, und an vielen vorwiegend aus dem Historismus stammenden Gebäuden und einer endlos scheinenden Zahl an Plätzen mit großen Denkmälern und Statuen vorbei. Unsere pausenlos redende, aber sehr informative Stadtführerin garnierte ihr gutes, idiomatisches Englisch mit einigen umgangssprachlichen Floskeln (Okey-doke, Trara), die alle zum Schmunzeln brachten, aber spätestens nach der fünften Wiederholung doch etwas nervten.
Wie bei jedem Treffen spielte die Projektarbeit eine wichtige Rolle.
Da die wesentliche Arbeit am Projekt (Lektüre eines 16 Bücher umfassenden Lektürekanons/Artikel und Kommentare auf der projekteigenen Website/Infokampagnen an den Schulen) bereits abgeschlossen war, stand diesmal der kreative Umgang mit Literatur im Vordergrund. Auch wenn die Mitarbeit von österreichischen, schwedischen und deutschen Schülern fehlte, zeigte die Projektpräsentation am Freitag äußerst akzeptable, z.T. sogar eindrucksvolle Ergebnisse. Selbstverfasstes (ein an 'Warten auf Godot' angelehntes Theaterstück, Gedichte, eine Erzählung, ein Werbespot), ein Vergleich von Büchern und deren Verfilmungen und eine Präsentation zu Buchmotiven in der Kunst fanden bei den anwesenden Zuschauern viel Beifall.
Bleiben noch die nicht nur für mich drei absoluten Highlights der Woche zu erwähnen:
1. der Tagesausflug nach Esztergom
Diese heute etwa 30000 Einwohner zählende Stadt war vom 10. bis zum 13. Jahrhundert die Hauptstadt Ungarns und wird von vielen traditionsbewussten Ungarn heute noch als die heimliche Hauptstadt angesehen. Esztergom liegt an der Donau, direkt an der Grenze zur Slowakei. Im Zentrum des Ausflugs stand die imposante Basilika, die größte Kirche Ungarns.
Durch ihre Dimensionen beindruckend, bot diese Kirche auch im Inneren spektakuläre Sehenswürdigkeiten wie Hochaltar, Krypta, Schatzkammer und Panoramaraum. Abgeschlossen wurde der Tag durch eine Führung durch die Sommerresidenz des berühmten ungarischen Schriftstellers Michael Babits und eine Drachenbootfahrt auf der Donau, an der nur der Mutigste und Furchtloseste des Buxtehuder Teams teilnahm (Name wird hier wiederum aus Datenschutzgründen nicht preisgegeben!). Leider herrschte auf dem Boot nicht ganz die sonst in dieser Woche zu beobachtende Harmonie.
2. das Treffen mit dem ungarischen Schriftsteller Györgi Dragoman
Wer den Raum des Treffens betrat, hätte nicht erwartet, was ihn in den nächsten 75 Minuten erwarten würde. Dieser auf den ersten Blick etwas seltsam und apathisch wirkende Mann stellte sich als sehr humorvoller Mensch heraus, der die vorbereiteten Schülerfragen und weitere spontan gestellte Fragen in einem sehr schnell gesprochenen, guten Englisch überzeugend beantwortete.
Im Mittelpunkt des Interesses standen Fragen zum Leben eines Schriftstellers allgemein und speziell zu seinem Buch 'Der weiße König', das eine Reihe von Teilnehmern im Laufe des Projekts gelesen hatte. Somit ergab sich in den drei Jahren Projektdauer die Möglichkeit, drei lebende Schriftsteller, deren Bücher zum Lektürekanon gehörten, persönlich zu treffen: John Boyne ('Der Junge im gestreiften Pyjama') im Rahmen der Preisverleihung des Buxtehuder Bullen in Buxtehude, Julia Rabinowich ('Dazwischen ich') in Kufstein und Györgi Dragoman ('Der weiße König') in Budapest. Wahrlich Projektarbeit 'at its best'!
3. die Führung im ungarischen Parlament
Dieses in seinen äußeren Dimensionen bereits eindrucksvolle Gebäude rief bei allen Teilnehmern Erstaunen hervor.
Die Führung zeigte uns Dinge, deren Pracht teils ein wenig sprachlos machte: das Haupttreppenhaus, die langen, prunkvollen Korridore, die von Soldaten bewachte Heilige Krone Ungarns, der Tagungssaal für die 177 Abgeordneten.
Nach dem Abschluss des offiziellen Treffens, bei dem Bozena Cudak als Projektkoordinatorin ihre große Zufriedenheit mit dem Projekt ausdrückte, erfuhr unser Team in den beiden letzten Tagen eine Art Privatbetreuung. Dazu gehörten eine weitere, dieses Mal kürzere Stadtführung durch eine ungarische Lehrerin, die uns an Orte führte, die der normale Tourist nicht unbedingt zu sehen bekommt, wie z.B. die beeindruckende als nördlichster Wallfahrtsort des Islams geltende muslimische Grabstätte des im 16. Jahrhundert lebenden türkischen Derwisches und Dichters Gül Baba sowie eine Privateinladung zum Mittagessen am Sonntag bei einer anderen ungarischen Lehrerin. Hier lernten wir u.a., was die Ungarn unter einer 'scharfen' Paprika verstehen.
Beim Lehrerabschlussessen in einem auf mittelalterlich gemachten Restaurant ließen die Teilnehmer die Woche noch einmal Revue passieren und tauschten natürlich auch Erinnerungen an z.T. viele gemeinsame Jahre aus. Die Zusammenarbeit mit der Schule in Krakow z.B. währte während meiner Tätigkeit als verantwortlicher Koordinator von 2009 bis 2021, und geht mit dem aktuell laufenden Projekt weiter. Mir als ausscheidendem Koordinator wurden von den anderen Schulen z.T. hochprozentige Geschenke überreicht. (Vorsicht, Eigenlob erster Teil!) Dies habe ich als Beweis dafür genommen, dass meine Arbeit doch nicht ganz so schlecht gewesen sein kann. Mit dem Treffen in Budapest gelang es uns allen zusammen, unser Projekt zu einem würdevollen, erfolgreichen Abschluss zu bringen.
(Vorsicht Eigenlob zweiter Teil!) Die von mir koordinierten fünf Comenius- und Erasmus+-Projekte verschafften unseren Schülern und Lehrern Einblicke, Eindrücke und Erfahrungen, die sie im normalen Schulbetrieb niemals hätten machen können.
Ich möchte mich auf diesem Weg bei allen Weggefährten herzlich bedanken und wünsche meiner Nachfolgerin Deike Dahms und ihrem Team alles Gute und viel Erfolg für die zukünftige europäische Projektarbeit. Und natürlich immer die erforderliche Unterstützung im eigenen Hause!
Hermann Hausmann
P.S. Die Buxtehuder Delegation brachte eine Sammlung von ca. 25 DIN A1-Postern zu den im Projekt gelesenen Büchern und zu Ankündigungen von Infokampagnen mit. Diese Sammlung erhielt neben auf den gemeinsamen Projekttreffen erstellten Postern 12 von unseren Buxtehuder Schülern kreierte Exemplare. Diese Ausstellung sorgte für viel positives Aufsehen und wird für einige Zeit in unserer Budapester Partnerschule verbleiben.